Wenn wir wieder mit unserem inneren Kind in Verbindung kommen wollen, gilt es auch zu betrachten, welche Ängste im Zusammenhang mit der Beschäftigung mit uns selbst hochkommen. Lasst uns eine der verschiedenen Persönlichkeitsanteile anschauen, denen wir uns so liebevoll und verständnisvoll wie möglich nähern sollten:

Das verlassene Kind


Wir haben uns in mehreren Kindheitsphasen verlassen gefühlt. Es kann also sein, dass du im Laufe dieser Arbeit mehreren „verlassenen Kindern“ in den verschiedensten Situationen begegnest. Die Arbeit mit dem verlassenen Kind erfordert vom liebevollen Erwachsen viel Sensibilität, Geduld und liebevolle Achtsamkeit. Die Angst davor verlassen zu werden, ist eines der archaischsten Gefühle, die wir als Menschen haben. Verlassen zu werden ist für die meisten gleichbedeutend mit dem „Ende aller Tage“.

Es ist eine der größten Verletzungen,  die wir erleben können. Ein verlassenes Kind kann wütend, traurig, verwirrt, dissoziiert und traumatisiert sein. Es ist sehr allein und weiß nicht, wie es diese Situation beenden soll. Es kommt ihm vor, als ob es immer so weitergehen würde, als ob es kein Ende dieses Gefühls gäbe. Ein Erwachsener mit einem verlassenen inneren Kind wird latent das Gefühl haben, es gäbe keinen Ausweg. Dieser Erwachsene wird es auch schwer haben, Vertrauen in andere Menschen zu fassen, denn etwas in ihm will immer noch die Bestätigung dafür bekommen, dass man am Ende doch wieder verlassen wird. Es ist also ein emotionaler Kreislauf, den es aufzuhalten gilt.

Daher rührt auch die fast panische Angst einsam zu sein oder einsam zu enden. Der erwachsene Mensch kompensiert diese Urangst entweder durch eine übertriebene Freundesanzahl oder durch völliges Verschließen seiner Gefühle vor der Außenwelt. Nicht selten wird der Entzug von Liebe auch durch das Klammern an Andere ersetzt. Ein verlassenes inneres Kind verharrt auch oft in einer Warteposition, in der Hoffnung, irgendjemand von Außen würde kommen und es „retten“. Diese Haltung birgt bereits die Enttäuschung in sich – es kommt eben niemand vorbei und „rettet“ mich. Die Erlösung kann nur von Innen heraus entstehen, indem man sich selbst das Gefühl gibt zu sich selbst zu stehen – in allen Situationen durch alle Umstände hindurch. Die konstruktive Entsprechung von „alleine sein“ ist „all-eins-sein“. Eins zu sein, mit dem „was ist“ – ohne die Projektion nach Außen. Ohne dass der oder die „Retter(in)“ kommen muss, damit wir selbstständig und lerne Eigenverantwortlich zu handeln.

Wenn du diese verlassenen Kinder aus ihrer verharrenden Stellung erlöst, ihnen das gibst, was sie jeweils brauchen, dann  kannst du zu einem selbstverantwortlichen, eigenständigen Menschen wachsen, der gerne in Gesellschaft mit sich ist – ohne sich einsam zu fühlen – und der gerne in Gesellschaft mit anderen ist, ohne sich leer zu fühlen.